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März 1920
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Alltagsleben: Kleidungsstil
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Alltagsleben: Kleidungsstil
Die 20er Jahre werden häufig mit dem Flapper Kleid und modischen Bob Frisuren in Verbindung gebracht und nicht zu unrecht gilt die Ära als eine der progressivsten und liberalsten Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts. Insbesondere durch die Einflüsse Hollywoods, erlebte die Modeindustrie der 20er Jahre in Großbritannien einen beispiellosen und radikalen Wandel.

Vor allem Frauen profitierten hierbei durch die Veränderungen und Liberalisierung der Geschlechterrollen während der Kriegsjahre und entwickelten ein stärkeres, emanzipierteres Frauenbild, das sich auch in der Benutzung von Make-Up bemerkbar machte. Insbesondere Lippenstift, vorzugsweise in knalligem Rot, wurde nicht nur zu einem Symbol sozialer Freiheit junger Frauen, sondern ebenso neu gewonnener sexueller Freiheit. Viele Hersteller warben u.a. damit, dass ihre Lippenstifte nicht nur wasserfest und schmierfest, sondern vor allem auch kussfest waren.
Allerdings gab es ebenso Kritiker des neuen Selbstbewusstseins von Frauen, die neben den Gefahren einer Vergiftung, negativer Effekte auf das vegetative Nervensystem durch Chemikalien, oder Auswirkungen auf das Verdauungssystem von Frauen hinwiesen, sondern insbesondere auf die negativen Nebeneffekt für die Psyche der Frau und ihrer Umwelt.
Doch waren es weniger Männer, oder die Church of England, die sich als prominente Gegner von Lippenstift zeigten. Insbesondere sozial höher gestellte Frauen sprachen sich gegen die Benutzung von Lippenstift aus. So schrieb beispielsweise Leonora Eyles, Journalistin für den Daily Herald 1928, dass die Benutzung von Lippenstift Frauen entstellt und auch die Schauspielerin Jessie Matthews war entschieden gegen das Verschönern der Lippen durch Lippenstift. Molly Drake, Journalistin für die Mussleburgh News ging sogar so weit, dass sie in einem Artikel über "The Lectures & Demonstrations of How to Apply" beschrieb, wie die Benutzung von Make-Up Männer verärgere.
Neben Make-Up und der kontroversen Auffassung innerhalb der Gesellschaft der 20er Jahre in Großbritannien, war vor allem die Kleidung ein wichtiger Faktor in der sozialen und sexuellen Befreiung der Frau.
Bobs, Eton Cut, Fingerwelle und der sogenannte Shingle Haircut, bei dem der Haaransatz im Nackenbereich kürzer geschnitten ist und graduell nach oben länger hin verläuft, waren wichtige Indikatoren, dass Frauen im Alltag mehr Rechte zugestanden bekamen. Darüber hinaus waren diese Haarschnitte auch innerhalb der Arbeitswelt und der Hausarbeit praktikabler und, anders als bei der Benutzung von Make-Up, gab es nur wenig Stimmen, die sich gegen die neue "Haar-Kultur" bei Frauen aussprachen. Es gab sogar immer wieder Hinweise darüber, dass der Verzicht auf langes Haar der Gesundheit und Hygiene bei Frauen zuträglich war und daher präferiert werden sollte.
Nicht ganz ohne Kontroverse blieb dabei jedoch die ebenso kürzer werdenden Röcke, die Frauen insbesondere im Nachtleben trugen und damit ebenfalls ein Statement der sozialen, vor allem jedoch sexuellen Befreiung setzten; auch weil die oftmals gerade fallenden, androgynen Formen industriell leichter herzustellen waren, als die wallenden und vielschichtigen Kleider der Viktorianischen Zeit. Wer es sich leisten konnte hingegen, besuchte einen Schneider, der Kleider nach Maß anfertigte. Durch das Aufkommen der neuen Mode, die im wesentlichen zunächst vor allem beim Tanz angezogen wurde, war das Viktorianische Verständnis darüber, dass Frauen keine Knöchel und Waden zeigen durften endgültig ad acta gelegt

Daneben wurde der Kleidungsstil der Männer weniger debattiert und war auch weniger Anlass für Kontroversen. Dennoch galt auch der Kleidung von Männern, insbesondere in den höheren Klassen, ein besonderes Augenmerk. Allen voran erwähnt sei hierbei - wer es sich leisten konnte - der regelmäßige Gang zum Schneider für die Anfertigung maßgeschneiderter Anzüge, die neben dem alltäglichen Tragen eines Hutes, der sogenannten "Melone", oder für die ärmeren Klassen eines "Newsboy caps", der Inbegriff der Mode für Männer der 20er Jahre stellte.
Auch die "Plus Fours", eine Form der Reithose, die 4 Zoll unterhalb des Knies ragt, wurde salon- und alltagsfähig in der männlichen Modewelt. Insbesondere spielte hierbei auch die Praktikabilität und die Bequemlichkeit eine Rolle, denn das Motto der 20er Jahre, sowohl innerhalb der Modewelt der Männer, als auch jener der Frauen war vor allem darauf ausgelegt, leger, bequem und bewegungsfreundlich zu sein und sogar die Mischung androgyner Aspekte war hierbei nicht gerade selten. So trug der "Mann der Mittelschicht" zu gesellschaftlichen, oder geschäftlichen Anlässen zumeist eine "Fedora", die in den Jahrzehnten zuvor ein Accessoire der Frau darstellte.